Rückzugsgefecht oder neue Perspektiven für das gedruckte Medium? Man hat den Eindruck, daß Publikationen, die sich nicht nur lesen und betrachten lassen, sondern zudem mit allerlei Klappund Faltmechanismen agieren, immer gerade dann besonders beliebt sind, wenn die Medienkonkurrenz besonders heftig ist. So schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als Schnellpresse und Setzmaschine für einen ungeheuren Bücherausstoß sorgten. In dieser Phase erlebten auch die Klapp- und Faltbücher eine erste Blüte. Zu verdanken war das wesentlich dem genialen Lothar Meggendorfer: Zu einer Zeit, als »interaktiv« noch eine völlig unbekannte Forderung war, schuf er bewegte Szenen mit Motiven, die beim Öffnen der Seiten dem Betrachter entgegen klappten, mit Stanzungen, Ausschnitten und allerlei beweglichen Elementen. Trickreich verknüpft mit Fäden, entstand so ein fragiles Spielfeld für groß und klein. Meggendorfers lebende Bilder fanden zahlreiche Epigonen, die aber meist vereinfachte Techniken nutzten. Späte Genugtuung für den Münchner Papiertüftler: Die amerikanische Movable Book Society verleiht noch heute den Meggendorfer Prize als Auszeichnung für besonders hervorragende Editionen auf diesem Gebiet. Gerade im angelsächsischen Raum haben die Pop-ups eine lange Tradition und viele Freunde – nicht nur im Kindesalter. Wahre Kunstwerke sind da entstanden, die eher für Erwachsene als für den harten Alltag im Kinderzimmer gedacht waren – ganz abgesehen von den Inhalten, wie etwa die »Galanten Augenblicke« von Peter Seymour, die mit Schieben und Ziehen so manches offenbarten. In den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts, als das von Marshall McLuhan angekündigte Ende des Gutenberg-Zeitalters langsam wahr zu werden drohte, weckte der Holländer Ron van der Meer dann auch in Deutschland neue Aufmerksamkeit für das Klappbuch. Seine quadratischen Kunst-, Architektur-, Musik- und Mathematik-Pakete faszinierten mit ausgeklügelter Mechanik und atemberaubender Detailfülle. Doch kunstreiche Märchenbücher – bis hin zu Pop-Versionen von Klassikern wie Struwwelpeter, Alice im Wunderland und der Raupe Nimmersatt – dominieren den reizvollen Markt, ergänzt um spielerisch Pädagogisches wie die Welt der Dinosaurier, Ritterburg oder Bauernhof. Doch es gibt auch immer wieder reizvolle Entdeckungen. So sei hier nur auf das liebevoll gestaltete »ABC 3D« von Marion Bataille verwiesen, auf die »Trail« genannte Paper Poetry von David Pelham, auf die Pop-up-Umsetzungen von Magritte-Werken aus dem Hause Jacoby & Stuart oder auf die Bücher des Pop-up-Papstes David A. Carter, allen voran sein wunderbares 600 Black Spots. Ganz neu auch in den Buchregalen das mit vielfältigen Techniken ausgestattete »Shoe love in pop-up«. Wer Lust bekommen hat, es einmal selbst den Künstlern und Papieringenieuren nachzutun, dem sei zudem »Das Pop-up-Handbuch« angeraten, das Carter gemeinsam mit James Diaz, einer weiteren Koryphäe auf diesem Gebiet, verfertigt hat. Es wird schon klappen! hl
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